Die Burg

Wie lange war die Fürstenberger Burg eine Burg?

Was wir heute von der Burg sehen, hat nichts mehr mit der einstigen Burg zu tun. Ein militärischer Stützpunkt musste damals ein stark befestigtes, aus Steinen errichtetes Gebäude sein, das einerseits die Versorgung von hunderten Menschen sicherstellen und andererseits auch für die Selbstverteidigung gegen Angriffe geeignet war. Ein solches Bauwerk musste Merkmale aufweisen wie dicke und hohe, fensterlose Mauern nach außen, Abwehr ermöglichende Öffnungen („Schießscharten“) darin, autonome Wasserversorgung, Lagerraum, Aufenthalts- und Schlafräume, Werkstatt, Rüstkammer, Ställe etc. Eine kleine Stadt in der Stadt.

Diese Merkmale waren militärisch solange zielführend, bis die Militärtechnik derlei obsolet machte: Kanonen zerschießen, was Speere und Pfeile nicht überwinden können. Das Schwarzpulver kam im 13. Jahrhundert über den Orient nach Europa. Erste Kanonen tauchten um 1320–1330 auf (z. B. in Florenz und bei den Eidgenossen). Diese frühen Geschütze waren noch ungenau, unhandlich und relativ schwach – gegen die dicken Mauern hochmittelalterlicher Burgen hatten sie wenig Chancen. Burgen blieben also zunächst noch militärisch relevant.

Ab dem 15. Jahrhundert verbesserten sich Bronze- und Eisenkanonen stark: sie wurden größer, präziser, durchschlagskräftiger. Burgen wurden damit zunehmend unbrauchbar für rein militärische Zwecke; viele wurden aufgegeben oder zu Schlössern umgebaut. Das geschah auch in Fürstenberg.

In einem Text für das Deutsche Historische Museum beschrieb Prof. Dr. Stefan Breitling die Gebäudeteile und ihre Geschichte folgendermaßen: „Der als ‚Altes Haus‘ bezeichnete heutige Ostflügel der Anlage könnte von 1539 stammen. (…) Der Südflügel, das ‚Große Neue Haus‘ mit weiteren Dielen, Hofstuben und Säulen entstand von 1572 bis 1595. Während der Sockelbereich mit Mischmauerwerk gemauert ist, sind die oberen Geschosse vollständig in Backstein errichtet. …) Die ursprünglich freie Südostecke wurde vermutlich im 18. Jahrhundert durch einen Ergänzungsbau geschlossen, für den zahlreiche Türen in die ehemaligen Außenwände der anschließenden Flügel gebrochen wurden. Zahlreiche Ausbaudetails gehören dem 19. Jahrhundert an. Unter anderem wurde auf älteren Kellern und Fundamenten ein neuer Westflügel errichtet.“1

Aus Burg wird Schloss

Gebäude, die unsere Altvorderen nicht mehr in Gebrauch hatten, wurden mitunter auch bedenkenlos als Steinbruch verwendet, abgebaut oder nach der neuesten Mode bzw. nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten und Zweckmäßigkeiten umgebaut und umgenutzt. Die Burg in Fürstenberg wurde so schon bald nicht mehr als Burg (1333 „castrum“) erwähnt, sondern als Haus (1371 „casa) bezeichnet2. In Urkunden, die Lehnsfragen regelten oder Pfändungen werden beispielsweise „Haus, Land und Amt“ erwähnt, wenn Fürstenberg gemeint ist. Aber welche heute noch bestehenden Gebäudeteile aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert stammen, also in Bauzeiten entstanden, die vor den beiden jeweils eine Stadthälfte vernichtenden Bränden 1797 und 1807, das ist nicht wirklich klar. Vermutlich muss man tief an die Fundamente graben, um diese Frage zu beleuchten

Auf eine entsprechende Anfrage beim Experten Prof. Breitling im August 2025 schrieb dieser: „Antworten auf Ihre Fragen kann ich Ihnen leider nicht geben, nachdem ich seit 2006 in Bamberg tätig bin und mich in den letzten 15 Jahren kaum noch mit den brandenburgischen Schlössern beschäftigt habe. Ich war damals der Überzeugung, dass unter dem Linoleum-Belag der Kita das Renaissance-Schloss Fürstenberg über und neben den Resten der Burganlage in Teilen erhalten geblieben ist (…) Der wissenschaftliche Fortschritt lebt von der Infragestellung, und ich freue mich auf Ihre weiteren Erkenntnisse.“

Im Meklenburgischen Voksbuch heißt es in einer Stadtbeschreibung von 1840: „Ehemals war das gleich rechtzs, wenn man von Strelitz kommt, innerhalb der Stadt liegende bedeutende Gebäude das Amtshaus. Später dann Privat Eigenthum kaufte es der regierende Großherzog und schenkte dasselbe nebst 100 Stück Friedrichsd’or, zum Ausbau bestimmt, 1820 der Stadt zum Schulhause unter der Bedingung, selbiges auf Stadtkosten stets im baulichen Stande zu erhalten.“3

Ein „Amtshaus“, also ein vermutlich zweckmäßig leicht gebautes Repräsentations- oder auch nur Verwaltungsgebäude, hat seit dem 16. Jahrhundert auf den Grundmauern der Burg gestanden. Ein solches Bauwerk dürfte Stadtbränden wenig Widerstand geboten haben, nachdem der Stadtteil direkt daneben Feuer fing.  Wilhelm Raabe schrieb 1857: „Fürstenberg ist nach den beiden großen Feuersbrünsten von 1797 und 1807, wodurch es ganz eingeäschert wurde, ziemlich regelmäßig und freundlich wieder aufgebaut…“ (…) „Das Schulhaus war früher Amtshaus, ist 1820 der Stadt vom Landesherrn geschenkt und mit beträchtlichen Erweiterungen und Erneuerungen aus der früheren Burg Fürstenberg entstanden“4

Dieser Stadtplan zeigt die SItuation nach den beiden Stadtbränden 1797 und 1807. Er wurde von dem Mann gezeichnet, der vom Herzog beauftragt war, den Wiederaufbau Fürstenbergs anzuleiten. Er hat akribisch sogar die unterschlächtigen Flügel der Mühlräder eingetragen. Aber die Burg fehlt komplett.

Könnte es also sein, dass nach den verheerenden Bränden Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts die Burg zumindest oberhalb der Grundmauern ebenfalls stark brandgeschädigt gewesen ist? Hat vielleicht der Herzog die (erneut?) abgebrannte „Burg“ günstig erwerben können und der Stadt eigentlich nur den Bauplatz geschenkt? Plus einer Zuwendung, damit diese den Neuaufbau stemmen konnte.

Ich formuliere die forsche These: Anfang des 19. Jahrhunderts, nach dem letzten großen Stadtbrand 1807, waren von der Burg allenfalls die Grundmauern übrig, der Schuttkegel von Ruderalvegetation und ersten Bäumen überzogen.

Dafür spricht, dass die Burg in der Stadtkarte von 1823 (von dem schon erwähnten Friedrich Wilhelm Dunkelberg) nicht eingetragen ist – eine Karte, in der sogar die Flügel von Mühlrädern eingezeichnet wurden! Wo die Burg sein sollte, ist nur eine Grünfläche skizziert. Diese Karte ist gut bekannt; sie wurde auch veröffentlicht in den verdienstvollen, in drei Bänden gesammelten Geschichtsbetrachtungen der Herausgeber Stegemann & Jacobeit. Es scheint aber nicht aufgefallen zu sein, dass die Burg darin fehlt.

Hat der Stadtbaumeister die Burg übersehen?

Die These, dass die Burg nicht eingezeichnet wurde, weil sie praktisch nicht mehr vorhanden war, wird gestützt durch einen Text von Karl Ludwig Rümann „Die Ruinen von der alten Burg zu Fürstenberg, der Residenz einer mächtigen und ausgebreiteten Reichsgräflichen Familie, findet man jetzt [1819, d. Verf.] nicht mehr, wohl aber unverkennbare Ueberreste in dem, um das jetzige fürstliche Schloß und dessen Garten geleiteten Bach, der mit dem Pahlensee zusammengehängt, wie auch in dem Ueberbleibsel des Walles an der Südseite des Schlosses, auf welchem jetzt einige zur Stadt gehörigen Gebäude stehen.“5 An anderer Stelle notiert er Gerüchte: „Als ein unbewohnbares Gebäude soll sie sich noch bis ins 16te Jahrhundert erhalten haben, wo sie niedergerissen worden und die Steine zu andern fürstlichen Bauten verwendet seyn sollen“. 

Herr Rümann war vermutlich kein Historiker und der Text ist kein wissenschaftlicher Beitrag. Aber der Autor war Zeitgenosse, an den Burgen Mecklenburgs interessiert und es darf unterstellt werden, dass er diese bereist und angeschaut hat. Wenn er berichtet, dass in Fürstenberg zu seiner Zeit von der Burg nichts mehr zu sehen ist, kann man das ernst nehmen. Geirrt hat er sich allerdings bei dem beschriebenen Gewässer, denn der Bach ist der Havelarm Iserdiek, der nicht in den Baalensee, sondern in den Schwedtsee mündet. Hat Herr Rümann also vielleicht doch nicht genau hingeschaut?

Offene Frage, geheimnisvolles Rätsel

Andererseits finden sich zwar detaillierte Angaben über Gebäude in der Stadt, die durch Brand vernichtet worden sind, aber über die Burg kein Wort. Stattdessen gibt es in Auswertung einer Reihe von älteren Schriften die recht detaillierte Darstellung der Burg und ihrer Teile im Laufe der Zeit. Auch darin ist von Abriss oder Einäscherung nicht die Rede.6 Abschließend heißt es an einer Stelle: „Nachdem um die Mitte des 18. Jahrhunderts das neue Schloß gebaut war, blieb die Burg Sitz des fürstl. Amtes. Einzelne Teile wurden vermietet, das Ganze baulich verwahrlost. Es war dann in Privatbesitz, bis es 1819 vom Großherzog Georg für 4800 Tlr. angekauft und der Stadt nebst 500 Tlr. zur Einrichtung als Schulhaus geschenkt wurde. Als solches dient es heute noch“.7 Es ist durchaus vertretbar anzunehmen, dass der Herzog nur die Fläche mit den Grundmauern verschenkt hat und eine Summe Geldes (plus eventuell Bauholz, Steine etc., die er auch den Bürgern für den Wiederaufbau ihrer Häuser gewährte).

Aber ist das auch wahrscheinlich? Ist der Preis nicht für eine reine Brachfläche zu hoch gewesen? Könnte nicht 1819 bereits wieder ein „Amtsgebäude“ auf den Grundmauern der Burg errichtet worden sein? Eine Hypothese könnte sein: Die Dunkelberg’sche Karte zeigt ja erklärtermaßen den Zustand der Stadt „Nach dem Brande im Jahr 1997 und 1807“. Wenn gemeint ist direkt nach 1807 könnte das bedeuten, dass die Burg vernichtet war bis auf Grundmauern und nicht ausschließen, dass der Herzog 1820 ein Objekt verschenkt hat, das längst wieder aufgebaut war. Aber dann hätte Rümann etwas sehen und davon berichten müssen.

Sind vielleicht die beschrieben Gebäudeteile diejenigen, die Rümann als „einige zur Stadt gehörigen Gebäude“ beschrieben hat, die „jetzt“ [1819] auf „dem Ueberbleibsel des Walles an der Südseite des Schlosses“ stehen. Was meinte er mit dem „Wall an der Südseite des Schlosses“? Das Schloss stand zu dieser Zeit bereits seit sieben Jahrzehnten auf dem Mühlenkamp, umflossen von Havelläufen. Das Schlossgelände war doch freigemacht worden von anderen Bauwerken (siehe die Verlagerung der alten Mühle um 1741). Rümann könnte immerhin verkannt haben, dass diese Gebäude zum ehemaligen Burggelände gehörten.

In einem Reiseführer von 1984 aus der DDR findet sich eine diplomatische Formulierung, der man sich allemal anschließen kann: „Alte Burg (geringe mittelalterliche Reste, Vierflügelanlage des 16. Jh., seit 19. Jh. eingreifend verändert)“8

Eine Zeitlang wird unsere Burg wohl noch ein wenig vom Geheimnis umweht bleiben. Wenn einst tatsächlich eine neue Nutzung baulich vorbereitet werden sollte, dürften sich Archäologen über Aufträge freuen. Und wir uns über neue Erkenntnisse.


1In dem Text des DHM von Prof. Breitling gehen die Bezüge „Burg“ und „Schloss“ an zwei Stellen durcheinander. So heißt es im Abschnitt „Fürstenberg/Havel“ unter „Name: Burg, Alte Burg, Schule“ und dann „Besitzergeschichte“ u.a.:  „1741 bis 1752 wurde das Schloss auf der anderen Seite des Stadtgrabens als Witwensitz für die mecklenburgische Herzogin Dorothea Sophia von Christoph Julius Löwe erbaut. Seit dem 19. Jahrhundert wurde das alte Schloss als Schule genutzt. 1913 durch wurde es durch Heinrich Brandes zum Krankenhaus umgebaut, zu DDR-Zeiten wurde hier eine große Kindertagesstätte untergebracht.“ Schon dass das Schloss unter der Überschrift BURG erwähnt wird irritiert und die Einführung des Terminus „Altes Schloss“ verwirrt. Der Bezug „es“ ist dann jedenfalls falsch, weil das Krankenhaus nicht in der Burg, sondern im Schloss untergebracht war.

2Siehe Fußnote 19, Seite 12; hier wurden die Dokumente ausgewertet, die im „Meklenburgischen Urkundenbuch“ abgeschrieben gesammelt und 1870 in mehr als zwanzig Bänden herausgegeben worden waren.

3Im „Allgemeines Meklenburgisches Volksbuch Sechster Jahrgang (1840) Schönberg Wismar: H. Schmidt und v. Cossel’s Rathsbuchhandlung. (F.W. v. Cossel), Schönberg: gedruckt und zu bekommen bei L. Bicker , 1840“

4Aus: Wilhelm Raabe: Mecklenburgische Vaterlandskunde T. 1 : Specielle Ortskunde beider Großherzogthümer Meklenburg : nebst Ortsregister und drei Städteplänen. Zweite, durchaus verbesserte und vervollständigte, wohlfeile Ausgabe von Hempel’s „Geographisch-statistisch-historischem Handbuch des meklenburger Landes“, Wismar: Ludwigslust: Hinstorff, 1857. Seiten 945 und 946

5 Seite 588 ff. in der Beilage zur Nr. 88. des „Freimuethigen Abendblattes“, herausgegeben in Schwerin am 10. September 1819. „Die Ritterburgen Mecklenburgs“. Die Burg Vorstenbach (späterhin Fürstenberg.)

6Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz Bd. 1, Abt. 2 : Das Land Stargard (2) : Der Blumenhäger Silberfund (W. Karbe), die Amtsgerichtsbezirke Fürstenberg, Feldberg, Woldegk und Friedland (1. Hälfte) Neubrandenburg: Brünslow, 1925

7Auf der vorigen Seite wurde ein Betrag von 100 Friedrichsd’or erwähnt. Entsprach das den hier genannten 500 Talern? Die KI „ChatGPT“ gibt in 12 Sekunden Auskunft: Der Friedrichsd’or (die „Pistole“) war nominell ein Goldstück im Wert von 5 Thalern (Norddeutscher / preußischer Thaler). Das heißt rein rechnerisch wären 100 Friedrichsd’or = 500 Thaler. Allerdings schwankte der Marktpreis der Pistole zeitweise leicht (z. B. 4,8–5 Thaler), so praktisch lag der Bereich eher bei ≈480–500 Thalern.

8Zusammengeklebte Kopie im Bestand der Ordner von Horst Korsinski, Fürstenberg; aufbewahrt im Karbe-Wagner-Archiv Neustrelitz